Das OLG Hamm hat entschieden, dass der Täter zur Begehung einer sexuellen Nötigung unmittelbar angesetzt und damit das Versuchsstadium der Tat erreicht hat, wenn er einer Geschädigten damit droht, von ihr an den Täter übersandte „Nacktbilder“ bei Facebook zu veröffentlichen oder diese auszudrucken und in ihrer Schule aufzuhängen, um sie zur Vornahme der von dem Täter gewünschten sexuellen Handlungen zu veranlassen.
Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der heute 30 Jahre alte Angeklagte aus Bünde einer jetzt 19-jährigen Schülerin gedroht, die von ihr an ihn übersandten „Nacktbilder“ bei Facebook zu veröffentlichen bzw. diese auszudrucken und in ihrer Schule aufzuhängen. Hierdurch wollte er sie dazu veranlassen, von ihm gewünschte sexuelle Handlungen vorzunehmen. Bereits zuvor – als die Schülerin circa 16 Jahre alt war – hatte sich zwischen ihnen ein reger Schreibkontakt auf WhatsApp entwickelt. Die Zeugin verliebte sich in den Angeklagten. Etwa Anfang Juni 2017 tauschten sie auf Initiative des Angeklagten über WhatsApp Nacktfotos aus. Als die Nacktfotos verschickt wurden, kam es bereits zu ersten sexuellen Anspielungen seitens des Angeklagten, der sich von der Schülerin sexuell befriedigen lassen wollte. Ihre ablehnende Haltung wollte er durch die Drohung mit der Veröffentlichung ihrer Nacktfotos oder dem Aufhängen ausgedruckter Fotos im Bereich ihrer Schule überwinden. Die Schülerin fühlte sich massiv unter Druck gesetzt und wusste nicht, was sie machen sollte. Der Angeklagte hielt es aber für möglich, dass sie seinem Druck nachgeben würde. Schließlich ging die Schülerin Mitte Juni 2017 zur Polizei und erstattete Anzeige. Bei einer sich anschließenden Durchsuchung händigte der Angeklagte sein Smartphone den Polizeibeamten aus, auf dem sich noch die fünf von der Schülerin übersandten Nacktaufnahmen befanden.
Das AG Herford (3 Ls 100/17) hatte den Angeklagten am 06.03.2018 wegen versuchter Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Auf die Berufung des Angeklagten hat das LG Bielefeld das Urteil aufgehoben und den Angeklagten freigesprochen, weil er – nach Auffassung des Landgerichts – nach seiner Vorstellung von der Tat noch nicht unmittelbar zur Verwirklichung einer sexuellen Nötigung angesetzt habe. Mit der gegen das Berufungsurteil eingelegten Revision rügt die Staatsanwaltschaft diese rechtliche Bewertung des Landgerichts.
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft war erfolgreich. Das OLG Hamm hat das angefochtene Berufungsurteil des LG Bielefeld vom 03.09.2018 (011 Ns 41/18) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des LG Bielefeld zurückverwiesen.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist der Angeklagte zu Unrecht freigesprochen worden. Nach der Rechtsprechung des BGH habe ein Täter die für den Versuchsbeginn maßgebliche Schwelle regelmäßig überschritten, wenn er bereits ein Merkmal des gesetzlichen Tatbestands verwirklicht habe. Durch seine Drohung, die von der Schülerin an den Angeklagten übersandten „Nacktbilder“ bei Facebook zu veröffentlichen bzw. diese auszudrucken und in ihrer Schule aufzuhängen, habe der Angeklagte eine Nötigungshandlung i.S.v. § 177 Abs. 2 Nr. 5 StGB – und damit ein Merkmal des gesetzlichen Tatbestands – verwirklicht. Jedenfalls durch diese Nötigungshandlung habe der Angeklagte – was weitere Voraussetzung für die Annahme eines Versuchs sei – die sexuelle Selbstbestimmung als Schutzgut des § 177 StGB der zu diesem Zeitpunkt noch minderjährigen Schülerin unmittelbar gefährdet. Nicht erforderlich sei gewesen, dass die Schülerin den Angeklagten zu Hause aufgesucht hätte.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Pressemitteilung des OLG Hamm v. 12.04.2019
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