Das LG Hamburg hat in dem erneuten Strafverfahren unter anderem wegen des schweren sexuellen Missbrauchs einer 14-Jährigen in Hamburg-Harburg im Februar 2016 das Urteil gegen die fünf Angeklagten im Alter von heute 16-23 Jahren verkündet.
Das LG Hamburg (Große Strafkammer 17) hat den zur Tatzeit erwachsenen Angeklagten P. (23 Jahre) zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zwei der jugendlichen Angeklagten (M., 16 Jahre, und K., 18 Jahre) hat das Gericht zu Jugendstrafen von drei Jahren bzw. zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die weiteren zwei Angeklagten (S., 19 Jahre, und H., 17 Jahre) erhielten eine Jugendstrafe von zwei Jahren bzw. einem Jahr und acht Monaten jeweils zur Bewährung. Ihnen wurde aufgegeben, ihre bereits in den vergangenen zwei Jahren durchgeführten Therapiemaßnahmen innerhalb der Bewährungszeit fortzuführen.
Damit hat das LG Hamburg für vier der Angeklagten nunmehr wesentlich höhere Freiheits- bzw. Jugendstrafen verhängt und dies, obwohl seit dem Tatgeschehen mehr als zwei Jahre vergangen sind.
Nach Auffassung des Landgerichts ist für die jugendlichen Angeklagten M. und K., die aktiv sowohl bei der Begehung des sexuellen Missbrauchs als auch bei dem anschließenden Geschehen des „Ablegens“ der fast unbekleideten Geschädigten im Innenhof des Wohnhauses bei einer Temperatur von null Grad beteiligt waren, das Vorliegen sog. „schädlicher Neigungen“ weiterhin überdeutlich. Sowohl die Beteiligung an dem damaligen Tatgeschehen als auch die weitere Entwicklung dieser beiden Angeklagten in den letzten zwei Jahren hätten deutlich gemacht, dass bei ihnen weiterhin ein erheblicher Erziehungsbedarf bestehe, der nur im Rahmen eines länger andauernden Jugendstrafvollzuges gewährleistet werden könne. Beide Angeklagte hätten während der vergangenen zwei Jahre neue Straftaten begangen; M. wurde sogar durch das AG Hamburg- St. Georg zu einer erneuten Jugendstrafe von einem Jahr mit „Vorbewährung“ verurteilt. Dieses Urteil hätte das Landgericht bei der Verurteilung einzubeziehen gehabt, weswegen dieser Angeklagte die höchste Jugendstrafe erhalten habe, obwohl er, zumal als Jüngster, bei der Ausführung des schweren sexuellen Missbrauchs an der Geschädigten jedenfalls keine führende Rolle gespielt gehabt habe.
Es habe sich bei den abzuurteilenden Taten keineswegs um „Gelegenheitstaten im Rahmen eines Partygeschehens“ gehandelt, die die Angeklagten auf Grund der Gruppendynamik begangen hätten. Vielmehr seien die in ihrer „Gefühllosigkeit“ sprachlos machenden Taten auf die in emotionaler und sozialer Hinsicht hoch defizitären Persönlichkeitsstrukturen sämtlicher Angeklagter zurückzuführen. Deswegen sei auch für alle jugendlichen Angeklagten nicht nur die „Schwere der Schuld“ zu bejahen gewesen, sondern – anders als die vorangegangene Strafkammer 27 – auch das Vorliegen von „schädlichen Neigungen“ zum Zeitpunkt der Tatbegehung. Nur weil sich die Angeklagten S. und H. in den vergangenen zwei Jahren positiv entwickelt, insbesondere keine neuen Straftaten begangen und gezeigt hätten, dass sie offenbar aus ihrer damaligen Tat gelernt hätten, seien gegen sie lediglich Bewährungsstrafen zu verhängen gewesen. Diese beiden Angeklagten hätten im Übrigen seinerzeit auch dem Hinausbringen der unbekleideten Geschädigten in die Kälte widersprochen, freilich dann auch keine Anstalten gemacht, die anderen Angeklagten davon abzuhalten. Aber es sei gleichwohl bei diesen beiden Angeklagten auf Grund ihres damaligen Widerspruchs jedenfalls einen „Hauch von Empathiefähigkeit“ zu sehen. Dabei habe die Große Strafkammer 17 gegen die weibliche Angeklagte H. allerdings eine um acht Monate längere Jugendstrafe als seinerzeit durch die Große Strafkammer 27 verhängt, da das hiesige Gericht der Meinung gewesen sei, dass sie sowohl beim Tatgeschehen als auch im Nachtatgeschehen in einer Weise aufgetreten sei, die einen weitaus längeren Erziehungsbedarf, als von der ersten Jugendkammer gesehen, begründe.
Anders als die im ersten Rechtsgang mit Urteil vom 20.10.2016 gegen die Angeklagten ergangene Verurteilung wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person bzw. Beihilfe hierzu und gefährlicher, weil gemeinschaftlicher, Körperverletzung bzw. unterlassener Hilfeleistung seien die Angeklagten nunmehr auch wegen des Herstellens jugendpornographischer Schriften sowie der gefährlichen Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung durch das Ablegen der Geschädigten in komatösem Zustand und bei null Grad im Hinterhof zu verurteilen gewesen. Die Angeklagten S. und H., die dem Hinausbringen widersprochen hätten, seien nunmehr nicht nur – wie durch die erste Kammer – wegen unterlassener Hilfeleistung, sondern wegen Beihilfe durch Unterlassen zur gefährlichen Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung zu verurteilen gewesen. Dagegen sei der Tatbestand der sog. „Aussetzung“ zu verneinen gewesen und es sei insoweit darauf hinzuweisen, dass nicht zu widerlegen gewesen sei, dass die Angeklagten wegen der lauten spitzen Schreie der Geschädigten beim Hinausbringen in den Hinterhof darauf vertraut hätten, dass sie alsbald durch Nachbarn gefunden würde, was im Folgenden auch tatsächlich geschehen sei. Die Geschädigte sei nur höchstens wenige Minuten nach ihrem „Ablegen“ von Nachbarn, die sogleich auch die Polizei und den Rettungsdienst benachrichtigten, gefunden worden. Deswegen habe in strafrechtlicher Hinsicht „nur“ eine abstrakte, aber keine konkrete Lebensgefahr für die Geschädigte bestanden.
Es sei schließlich darauf hinzuweisen, dass die Kammer durch die Revisionsentscheidung des BGH, der die Schuldsprüche und ausgeurteilten Strafen zwar aufgehoben, aber die im ersten Rechtsgang getroffenen Feststellungen des Urteils der Großen Strafkammer 27 zum Tatgeschehen aufrechterhalten habe, gewissermaßen wie in „einem Korsett“ habe verhandeln müssen, da die neue Kammer in Rahmen der erneuten Hauptverhandlung lediglich ergänzende Feststellungen habe treffen dürfen, die den bisherigen nicht widersprachen. Daher sei in der 18 Verhandlungstage dauernden Hauptverhandlung das Augenmerk insbesondere auf die Aufarbeitung der Tatmotivation und die Persönlichkeitsstrukturen insbesondere der jugendlichen Angeklagten, auf deren Nachtatverhalten und Einlassungsverhalten bei Polizei, Haftrichter und in der ersten Hauptverhandlung, sowie auf die Ermittlung ihrer persönlichen Entwicklung seit der Tatnacht zu legen gewesen. Obwohl die jugendlichen Angeklagten die Taten weitgehend sogleich gegenüber der Polizei und auch in der ersten Hauptverhandlung gestanden hätten und diese Geständnisse auch in der neuen Hauptverhandlung bekräftigt hätten, bestehe lediglich bei dem Angeklagten S., der zur Jugendstrafe mit Bewährung verurteilt wurde, die Überzeugung, dass sein Geständnis jedenfalls inzwischen von ernsthafter Reue und insbesondere Einsicht in die eigene Schuld und Verantwortung getragen sei. Bei den Anderen hingegen habe der Weg der „Einsicht“ erst begonnen. Schließlich habe die Kammer nunmehr auch die Geschädigte in der Hauptverhandlung als Zeugin vernehmen können, nachdem diese im Verfahren des ersten Rechtsgangs aufgrund ihres unbekannten Aufenthaltes nicht habe befragt werden können. Die Kammer habe daher auch umfängliche Feststellungen zu den Tatfolgen für die Geschädigte treffen und sich ein Bild von ihrer Persönlichkeit und Verletztheit machen können. Dabei sei die Geschädigte jedenfalls nach außen hin durchaus gefasst in der Hauptverhandlung aufgetreten und habe die vorgetragenen Entschuldigungen der Angeklagten ruhig entgegen genommen.
Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamburg v. 06.06.2018
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